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  • Laura Kristin Fink

Horten und das Nervensystem


Das Wissen über das Nervensystem begeistert mich immer wieder, nicht zuletzt weil sich damit so viel Verständnis generieren lässt.



Der Zustand unseres Nervensystems prägt unser Erleben


In so manchen Blogposts habe ich nun schon versucht die Zusammenhänge zwischen unseren Verhaltensweisen und unseren Nervensystem-Zuständen zu erklären. Sicher bist du daher mittlerweile damit vertraut, dass es Zustände der Untererregung gibt, in denen wir uns wenig spüren, unverbunden fühlen, etc. und im anderen Extrem Zustände der Übererregung, in denen wir überreizt sind, uns verteidigen und wappnen wollen.


Im Idealfall gibt es zwischen diesen Extrem-Zuständen ein breites Spektrum des sogenannten Stresstoleranzfensters, in dem wir uns im Laufe des Tages geschmeidig hin und her bewegen. Je nachdem wie unser Nervensystem geprägt wurde, sind wir vielleicht vertrauter mit Zuständen der Über- oder Untererregung und ist unser Stresstoleranzfenster sehr schmal, sodass wir im Alltag schnell zu „kippen“ drohen. Allemal sind wir dann vertraut mit entsprechenden Symptomen und Mustern, die Abbild unserer Nervensystem-Zustände sind, auch wenn uns diese Zusammenhänge vielleicht noch gar nicht bewusst sind.


So lass uns doch einmal überlegen - wo lässt sich z.B. der Hang zum Horten, das Ansammeln und Vorraten von Dingen am ehesten einordnen im Nervensystem-Spektrum? Ist dies eher Zeichen eines Freeze oder einer Kampf-/Fluchtreaktion?



Eine Person umklammert drei Reinigungsprodukte, man sieht nur ihren Torso und ihren festen Griff


Vielleicht ist es dir direkt ersichtlich. Generell kann man sagen das ein Freeze, also die Untererregung, sehr viel Passivität bedeutet, während in der Übererregung sehr viel Energie im System steckt. Das Bedürfnis also, sich etwas zusammen zu sammeln, sich in irgendeiner Art vorzubereiten, für den „Ernstfall“ zu wappnen, als erstes Mal nach sich zu schauen und „zu gucken wo man bleibt“, entspringt wohl immer eher einer Übererregung. Hier stecken nicht nur Kampfes-Energien, sondern auch Flucht-Energien drin. In jedem Fall scheint es um die Herstellung von gefühlter Sicherheit zu gehen, in einem Zustand der sich grundsätzlich nach Bedrohungslage anfühlt.



Latente Übererregung lässt uns "kämpfen" und "fliehen"


In Zuständen der Übererregung nehmen wir die Welt häufig als unsicheren, gefährlichen, ungerechten Ort wahr. Kein Wunder also, das daraus das Bedürfnis entspringt, hier zumindest etwas Handlungsmacht zurückzugewinnen. Letzten Endes kann das Horten also als Versuch des Nervensystems verstanden werden, aus Übererregung wieder mehr in Richtung Balance zu gelangen. Dies gelingt jedoch höchstens kurzfristig, weil die zugrundeliegenden Ursachen der Übererregung durch das Vorraten ja keineswegs adressiert oder behoben werden.


Vielleicht kennst auch du noch Menschen, die in absoluten Krisenzeiten groß geworden sind, und dadurch einen Hang zum Horten entwickelten. Die Außenwelt war in ihrer Kindheit so enorm unsicher, dass durch das Sammeln und Aufbewahren „für schlechte Zeiten“ völlig unterbewusst versucht wurde, etwas Sicherheit und Selbstwirksamkeit wiederherzustellen. Nicht selten sind diese Traumata an Nachfolgegenerationen weitergegeben worden, und der Kapitalismus trägt zusätzlich sein Übriges dazu bei, dass wir hierzulande „gerne“ konsumieren, besitzen und anhäufen.



Das Erleben von Sicherheit ist möglich


Durch Nervensystem-Regulation lässt sich hier jedoch Abhilfe schaffen. Befinden wir uns nämlich insgesamt wieder in mehr Balance, leben wir mit einer größeren Komfortzone, kennen wir unsere eigenen Muster, Ressourcen und Regulations-Tools, so bewegen wir uns schlichtweg in anderen Gefilden als zuvor. Es wird seltener vorkommen, dass wir uns glauben verteidigen und vorbereiten zu müssen. Wir bewegen uns mehr im Fluss des Lebens, in Vertrauen, Gelassenheit und Zuversicht. Alte Muster, wie z.B. das Horten, werden schlichtweg überflüssig. Das Erleben von Sicherheit ist möglich.

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