Traumasensibilität einfach erklärt: Warum sie dein Leben verändern kann
- Laura Kristin Fink
- 2. Juli
- 5 Min. Lesezeit
Fühlst du dich immer wieder überfordert? Hier erfährst du, was das Ganze mit Trauma zu tun haben kann - und wie dir Traumasensibilität beim Bewältigen deiner wiederkehrenden Muster hilft.
Inhaltsverzeichnis
Was verstehen wir eigentlich unter Trauma?
Viele Menschen verbinden den Begriff Trauma vor allem mit einmaligen, überwältigenden Erlebnissen – wie einem Unfall, einem Überfall oder dem plötzlichen Verlust eines geliebten Menschen. Was wir als Schocktrauma bezeichnen, kann in der Tat das Leben ganz plötzlich auf den Kopf stellen und Traumafolgen hinterlassen. War ein Ereignis sehr überwältigend für uns, und wurden wir darin nicht ausreichend von unseren Mitmenschen aufgefangen und aus diesem Schock wieder heraus begleitet, können wir in diesen hilflosen Zuständen wie steckenbleiben.
Auch wiederkehrende und subtilere Ereignisse sind jedoch in der Lage uns und unser Nervensystem zu prägen. Entwicklungstraumata, z.B. durch Komplikationen in der Schwangerschaft oder Geburt, sowie Bindungstraumata in unseren ersten Lebensjahren, ziehen sich durch unser weiteres Leben. Mit seinen Gefühlen als Kind wiederholt allein gelassen zu werden, von anderen beschämt zu werden, oder insgesamt wenig Sicherheit und Geborgenheit in der Bindung zu seinen Bezugspersonen zu erfahren, hinterlässt oft tiefe Wunden in uns.
Ob etwas traumatisch wirkt, ist hoch individuell.
Trauma liegt nicht im Ereignis - sondern in der Reaktion unseres Nervensystems.
Bleibst du im Aufzug stecken, kann das eine lustige Anekdote für den Rest deines Lebens sein - während die gleiche Erfahrung für jemand anderen sehr beängstigend sein könnte und starke Gefühle des Ausgeliefert-Seins auslösen würde.
Inwieweit wir aus bestimmten Geschehnissen also Folgen davontragen, hängt vom jeweiligen Nervensystem ab - und auch davon, inwieweit man in der Verarbeitung des Erlebnisses und den herausfordernden Gefühlen gute Unterstützung durch seine Mitmenschen oder Fachkräfte erhält.
Woran lassen sich Traumafolgen erkennen?
Typische Traumafolgen können sich auf verschiedenen Ebenen zeigen:
Körperlich: Unruhe, Schlaflosigkeit
Gedanklich: Grübeln, Konzentrationsprobleme, Leere im Kopf
Emotional: Stimmungsschwankungen, Angst, Reizbarkeit, emotionale Taubheit
Sozial: Rückzug, Schwierigkeiten mit Augenkontakt, soziale Ängste
Auch Perfektionismus, Kontrollzwang, Vermeidung, Süchte oder Antriebslosigkeit können auf traumatische Prägungen hinweisen.

Warum Traumasensibilität so wichtig ist
Zu wissen, dass es Trauma und Traumafolgen gibt - und das Gegenüber sehr wahrscheinlich bereits damit in Kontakt gekommen ist, ist der erste Schritt. Verena König sagt nicht zu unrecht „Das Wissen über Trauma hat die Kraft, die Welt zu verändern“
In einer traumasensiblen Gemeinschaft besteht also mehr Aufklärung darüber, was Trauma eigentlich ist, und woran es sich erkennen lässt. Wir sind sensibel dafür, was unser Gegenüber möglicherweise schon alles durchgestanden hat. Sobald wir Traumafolgen erkennen können, besteht nun auch die Möglichkeit anders darauf einzugehen. Während wir vorher vielleicht verurteilend waren, zieht nun Mitgefühl in unsere Begegnungen ein. Wir können Retraumatisierung vermeiden und aktiv für mehr Sicherheit im Miteinander sorgen.
In einer Welt, die gezeichnet ist von kollektiven Traumafolgen und zunehmenden Konflikten, ist das Wissen um Trauma und Traumasensibilität der Schlüssel für ein menschlicheres und friedvolleres Miteinander.
Wie wirkt Traumasensibilität?
Traumasensibilität bedeutet: Kontakt auf Augenhöhe, Wohlwollen, Klarheit und echter Wertschätzung. Traumafolgen zu tragen, bedeutet sich Verunsicherung und einem mangelnden Gefühl von Sicherheit ausgesetzt zu fühlen. Deshalb ist das Angebot von Sicherheit im Zentrum einer jeden traumasensiblen Begleitung. Was brauchst du, um dich ein Stück wohler und sicherer zu fühlen?
Das Wissen über Trauma erzeugt ein tiefes Verständnis für Zusammenhänge. Verstanden und unterstützt zu werden, sowie Zuversicht entgegengebracht zu bekommen, macht allen Unterschied.
Da Trauma wie erwähnt nicht im Ereignis, sondern im Nervensystem vorzufinden ist, spielt der Körper eine zentrale Rolle in traumasensiblen Begleitungen. Die eigenen Nervensystem-Zustände lesen zu können, Co-Regulation zu erfahren, sowie eine bessere Selbstregulation zu entwickeln, führt automatisch zu mehr Selbstkenntnis und Selbstermächtigung
Traumasensibilität ändert alles - mein persönlicher Blick
Wer nicht traumasensibel begleitet wird, fühlt sich häufig:
nicht gesehen
übergangen
abgelehnt
unverstanden
allein gelassen
unter Druck gesetzt
überfordert
falsch
nicht sicher
Eine traumasensible Begleitung eröffnet hier eine neue Möglichkeit: Sie sorgt dafür, dass du dich beim Hinwenden zu schwierigen Themen und Gefühlen ausreichend sicher fühlst – und damit neue Erfahrungen machen kannst.
Mir persönlich ging es ganz ähnlich, als ich begann mich meiner Innenwelt zuzuwenden. Meine Gesprächstherapie war damals eine enorme Herausforderung: Es fühlte sich an, als würden wir in den Sitzungen gemeinsam meine Wunden aufreißen - und ich müsste sie danach allein zu Hause versorgen. Ich fühlte mich überaus verletzlich, zog mich zurück und war unglaublich erschöpft.
Nur über meine Themen zu sprechen, löste in mir große Überforderung aus. Alte Muster des Rückzugs waren stärker als die Möglichkeit, meine Verletzlichkeit offen vor meiner Therapeutin zu zeigen. Kein Wunder also, dass ich mich nach jeder Stunde völlig k.o. fühlte.
Erst später, in meinen Ausbildungen, lernte ich traumasensible Ansätze kennen – und durfte dort ganz neue Erfahrungen machen. Ich lernte, wie es sich anfühlt, mich schwierigen Gefühlen in einem sicheren Rahmen zu stellen. Nach solchen Sitzungen spürte ich zwar auch, dass ich schwere Arbeit geleistet hatte – aber ich hatte keinen Rückzugsimpuls mehr. Ganz im Gegenteil: Kontakt war plötzlich möglich. Und schön.
Im Laufe meines Weges lernte ich so, dass es in Ordnung ist, sich verletzlich zu fühlen. Dass ich das zeigen darf. Und dass ich damit nicht abgelehnt werde – sondern im Gegenteil Verständnis und Wertschätzung erfahre.
Wann solltest du dich traumasensibel begleiten lassen?
Egal ob du Traumafolgen trägst und dir dessen schon bewusst bist, oder sie dir bislang als deine Normalität wohlvertraut und noch unbewusst waren - dich in traumasensible Begleitung zu begeben, kann jederzeit hilfreich sein.
Gerade dann, wenn du dich mit bestimmten Mustern und Themen wiederholt auseinandersetzen musst, und mitunter schon viel versucht und analysiert hast, lohnt sich die Arbeit mit dem Nervensystem. Dort für mehr Regulation und Sicherheit zu sorgen, Kapazitäten für deine Gefühle zu schaffen, und eine beobachtende Position zu schulen, kann viel Veränderung bereithalten.
Hier erfährst du mehr zu mir und meinem traumasensiblen Coaching-Angebot.
Fazit: Traumasensibilität tut gut
Uns mit mehr Vorsicht und Mitgefühl zu begegnen, wohlwollend aufeinander zu blicken, und füreinander sichere Menschen sein zu wollen, ändert alles.
Meine Erfahrung in meiner Ausbildung bei Verena König zeigt, dass man sich für diese Qualitäten weniger anstrengen muss als gedacht. Sie entwickeln sich automatisch, sobald man mehr Wissen über Trauma erhält, und erlebt, wie wohltuend traumasensibel gestaltete Räume doch sind. Es braucht hierfür Menschen, die einem einen wohlwollenden, verkörperten und wertschätzenden Kontakt vorleben. Dann lässt sich das Geschenk der Traumasensibilität annehmen und für sich explorieren.
Ich wünsche dir, dass immer mehr Menschen in deinem Leben traumasensibel auf dich blicken. Und dass du dir eine professionelle Begleitung gönnst, wenn es für dich an der Zeit ist, neue Erfahrungen zu machen.